Chuan Ku: Erfahrungen als DAAD Stipendiat
Meine Damen und Herren,
Ich bedanke mich für die Einladung und die Gelegenheit, als ein ehemaliger Stipendiat hier zu sprechen. Heute feiert das DAAD-Infozentrum den 20. Jahrestag. Zufälligerweise habe ich vor fast 20 Jahren angefangen, Deutsch zu lernen, als ein Mittelschüler, der irgendwie auf die Idee gekommen ist, eine zweite Fremdsprache zu lernen. Und warum Deutsch? Nur weil das Deutsche Kulturzentrum Taipeh, jetzt das Goethe-Institut Taipei, sehr nah meiner Schule und meinem Zuhause war. Vorletzte Woche habe ich meine Lieblingsserie komplett auf Deutsch angeschaut. Die Serie heißt übrigens „Dark“ und sie ist hervorragend. Aber am Anfang war die deutsche Sprache für mich so schwer, dass ehrlich gesagt einige Male meine Entscheidung bereut habe. Wieso Deutsch statt einer anderen Sprache?? Der Wendepunkt für mein Deutschlernen war ein Tag während meines Studiums, wo ich ein Poster vom DAAD gesehen habe. Es gab Stipendien für Studenten, um einen Sommersprachkurs in Deutschland zu besuchen. Ich erinnere mich immer noch dran. Bei der Bewerbung wusste ich nicht welche Stadt ich als Zielort wählen sollte. Es war Dr. Stefan Rummel, der ehemaliger Direktor, der mir drei Städte vorgeschlagen hat. Und irgendwie bei Düsseldorf hat er extra betont: die Stadt ist lebendig und es ist schön dort zu leben. Es war wahrscheinlich die wichtigste Entscheidung meines Lebens. 2007 bin ich dorthin geflogen. Die Stadt und Deutschland haben mir sehr gefallen und zum ersten Mal konnte ich die Sprache im Alltagsleben verwenden.
Vier Jahre später: Ich war fast fertig mit meinem Masterstudium und suchte eine Promotionsstelle. Eines Tages bin ich auf ein Paper über bakterielle Vorfahren des Mitochondriums gestoßen, also der energieerzeugenden Struktur in fast jeder Zelle in unserem Körper und auch bei anderen komplexen Organismen. Das Thema fand ich super spannend, und die Autoren arbeitete gerade an der Uni Düsseldorf. Ich war aufgeregt und habe dem Professor sofort eine E-mail geschrieben. Ich heiße Chuan Ku, ich war für einen Sommersprachkurs mit einem DAAD-Stipendium bereits einmal in Düsseldorf. Er antwortete: „Genau, DAAD ist das Schlüsselwort für deine Promotion! Es gibt auch Stipendien für Promovierende.“ Mit seiner Zusage habe ich das Stipendium bekommen und bin noch mal nach Deutschland geflogen. Die Promotion war meiner Meinung nach sehr erfolgreich, dank DAAD, nicht nur für die finanzielle Förderung und die intensiven Sprachkurse am Anfang, sondern auch für die Möglichkeit, die anderen Stipendiaten – sowohl ausländischen als auch deutsche – kennenzulernen. Insbesondere mit dem DAAD-Freundeskreis Köln und Düsseldorf – also Freundschaft klingt ein bisschen widersprüchlich bei diesen beiden Städten – aber zusammen waren wir bei Theateraufführungen, im Opernhaus, in Museen, beim WM-Public Viewing, haben das Weltkulturerbe Zeche Zollverein besucht und natürlich in der freien Natur mehrmals Wanderungen zwischen Rhein und Wein gemacht. Ich habe mich auch an der Sommerakademie Rot an der Rot beteiligt, wo ich mich mit Stipendiaten von der Studienstiftung des Deutschen Volkes befreundet habe. Selbst heute – ich habe schon meine eigene Arbeitsgruppe gegründet – profitiere ich immer noch von den DAAD-Stipendien. Ohne den Wuhan-Coronavirus hätten wir jetzt im Sommer eigentlich eine Praktikantin aus Deutschland durch das DAAD RISE Weltweit hier in Taiwan.
Die Förderung vom DAAD hat meine Karriere geprägt. Die Aufenthalte in Deutschland haben meine Identität als Taiwaner geprägt. Johann Wolfgang von Goethe schrieb „Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“ Für mich gilt: „Wer nie im Ausland ist, kennt nicht sein Heimatland.“ Bis ich angefangen habe in Deutschland zu leben, wusste ich eigentlich gar nicht, was es bedeutet, Taiwaner zu sein. Heute kann ich nicht vergessen wie unangenehm es war, die Nationalitätsabkürzung auf dem Aufenthaltstitel CHN statt TWN zu sehen, oder einen Raum mit dem Türschild „China, Mongolei“ zu betreten, so hieß das ehemaliger DAAD-Referat 423. Sowohl internationale Organisationen als auch die offizielle Haltung der deutschen Regierung sind oft leider nicht so freundlich zu Taiwan, obwohl wir eigentlich viele gemeinsame Werte teilen. Davon abgesehen ist der DAAD besonders wichtig für Taiwan und als Taiwaner schätze ich sehr die Verbindung durch den DAAD zwischen den beiden Ländern. Ich bedanke mich beim DAAD und hoffe, in den nächsten 20 Jahren werden wir nicht nur mehr Taiwaner in Deutschland sehen, sondern auch mehr Deutsche, die einen Bildungs- bzw. Forschungsaufenthalt in Taiwan absolvieren. Vielen Dank!
Chuan Ku
Institute of Plant and Microbial Biology
Academia Sinica
Taipeh, Taiwan